Abschied vom gelben Zettel

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Die elektronische Krankmeldung macht es möglich: Weniger Stress für erkrankte Arbeitnehmer.

Es war ein schleichender Abschied, der nun am 1. Januar endgültig vollzogen wird. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) auf Papier wird durch die elektronische eAU ersetzt. Das heißt, die im Volksmund sogenannte „Krankschreibung“, salopp auch als „gelber Zettel“ bezeichnet, stirbt aus – zumindest für die gesetzlich Versicherten. An einer Lösung für Privatversicherte wird noch gearbeitet.
 Bisher sah die Regelung so aus: Der Arbeitnehmer musste sich selbst beim Arbeitgeber krank melden und spätestens am vierten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber schicken. Ab dem neuen Jahr ist zumindest Letzteres nicht mehr nötig. Zwar müssen erkrankte Beschäftigte noch immer schon am ersten Krankheitstag den Arbeitgeber informieren. Doch sie müssen ihm keinen gelben Zettel mehr vorlegen. Die AU geht auf elektronischem Wege zur zuständigen Krankenkasse. Dort kann der Arbeitgeber dann die AU abrufen. Einen Ausdruck erhält nur noch der Patient. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung hat der Arbeitnehmer somit etwas in der Hand.

Passt zur telefonischen Krankschreibung

Die neue Regelung passt auch ganz gut zu einer anderen, die eigentlich nur für die Corona-Pandemie gedacht war: Die telefonische Krankschreibung. Für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung musste der Arbeitnehmer zwingend bei einem Arzt erscheinen. Während der Pandemie wurde die Bestimmung gelockert. Um das Infektionsrisiko in Praxen zu mindern, konnten Ärzte Patienten mit leichten Atemwegserkrankungen für bis zu sieben Tage nach einem simplen Telefonanruf krankschreiben. Der berühmte gelbe Zettel musste aber trotzdem noch zum Arbeitgeber gelangen. Das erübrigt sich mit der eAU. Die sogenannte telefonische Krankschreibung ist aber vorerst bis zum 31. März 2023 befristet. Je nach Lage der Pandemie kann die Maßnahme aber auch noch einmal verlängert werden.

DOKTUS klärt auf: Die Mythen um den gelben Zettel

Die Umstellung auf die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bringt nun allerdings auch die Gelegenheit, mit einigen unausrottbaren Mythen aufzuräumen, die sich um den Gelben Zettel ranken. DOKTUS stellt zwei davon richtig: Viele Menschen glauben, dass der Arbeitgeber mit der Krankschreibung auch etwas über die Krankheit erfährt. Das ist falsch. Der Arzt vermerkt zwar auf dem Formular mit dem sogenannte ICD-Code die Art der Krankheit. Doch genau diesen Zettel bekommt der Arbeitgeber nie zu sehen. Auf dem Durchschlag, der bislang an den Arbeitgeber ging, war von dem Code nichts zu lesen. Auch auf der elektronischen AU wird der Arbeitgeber die Art der Krankheit ebenso wenig erfahren wie zuvor auf Papier.


Eine andere, ebenso kühne wie falsche These besagt, dass die Krankschreibung letztlich immer an den Betriebsarzt gehe. Tatsächlich bekommt der Betriebsarzt die Krankmeldung nicht zu Gesicht. Sie geht ihn auch gar nichts an. Sollten sich Beschäftigter und Betriebsarzt aus irgendeinem Grund während der Krankheitsdauer doch einmal sehen, dann darf der Betriebsarzt nichts über eine mögliche Krankheit nach außen dringen lassen. Er unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht genau so, wie jeder andere Arzt auch.

Holen statt Bringen

Der entscheidende Unterschied von AU und eAU ist neben der Umstellung von analog auf digital aber noch ein anderer. Bislang lag es in der Verantwortung des Beschäftigten, seinem Arbeitgeber die Krankschreibung vom Arzt vorzulegen. Diese Verantwortung wandert nun weiter an den Arbeitgeber. Ihm stellt die Krankenkasse die eAU nur zur Verfügung. Abholen muss sie der Arbeitgeber schon selbst. Wobei mit Abholen in diesem Fall Herunterladen gemeint ist. Genau an diesem Punkt fürchten Fachleute zunächst noch Probleme. Sie rechnen damit, dass es weiterhin Unternehmen geben wird, die auf eine schriftliche Form der Bestätigung von Arbeitsunfähigkeit bestehen. Arbeitsrechtlich sind die Beschäftigten allerdings auch dann auf der sicheren Seite.

Peter S. Kaspar