Gefährliches Spiel
Immer öfter setzen Betriebsärztinnen und Betriebsärzte auf Gamification, wenn es um Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz geht. Dahinter steckt der Gedanke, über spielerische Elemente, die Akzeptanz für notwendige Vorsorgemaßnahmen zur Erhaltung der eigenen Gesundheit zu erhöhen. Das klingt zunächst nach einer sehr charmanten Idee, doch wie viele gute Ideen, birgt auch diese eine eher dunkle Gefahr. Was zunächst als harmlose Spielerei daherkommt, kann sich schnell in einen knallharten Wettbewerb verwandeln. Und möglicherweise auch gewisse Begehrlichkeiten wecken, Mitarbeiter zu bewerten. DOKTUS hat sich genauer angesehen, wann Gamification nach hinten losgehen kann.
Die Sache mit den Fleißkärtchen
Betriebsarzt Dr. B hatte ein Problem. Seine Versuche, die Belegschaft seines Unternehmens, in dem er seit sechs Monaten festangestellt arbeitete, von Gesundheitsprävention zu überzeugen, waren bislang fruchtlos geblieben. Seine Informationsveranstaltungen waren schlecht besucht, das Blutdruckmessgerät im Pausenraum verstaubte langsam, seine Hand-Outs zu einer gesünderen Lebensweise waren alle im Müll gelandet. Frustriert traf er sich eines abends mit einer alten Schulfreundin. Dr. B. klagte ihr sein Leid. Doch die lächelte nur und fragte: „Erinnerst du dich noch an unsere Religionslehrerein?“ Dr. B. „Fräulein Meyer, mit E Ypsilon? Natürlich. Das war doch die mit den Fleißkärtchen?“ fragte er – und verstand, was ihm seine Schulfreundin sagen wollte. Von nun an verband er seine Präventionsangebote mit Fleißkärtchen, die jeder sammeln konnte, wenn er an kleinen Vorsorgemaßnahmen teilnahm. Im Rahmen des nächsten Gesundheitstages wurde dann ein Wellness-Wochenende unter jenen verlost, die die meisten Fleißkärtchen gesammelt hatten. Und plötzlich klappte das auch mit den Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge im Betrieb.
Das Prinzip dahinter
Gesundheitsvorsorge in einem Unternehmen ist nie eine leichte Sache. Einerseits muss man den Chef überreden, wenn man bestimmte Aktionen starten will, andererseits die Belegschaft davon überzeugen, dass Präventionsmaßnahmen eine sinnvolle Sache sind. Leichter geht das, wenn man den Beteiligten kleine, direkte und greifbare Belohnungen zukommen lassen kann. Das Versprechen auf Gesundheit und Wohlbefinden irgendwann in der Zukunft, ist für viele zu wenig, um sich kurzfristig für eine Informationsveranstaltung über Bluthochdruck zu motivieren. Wenn dieser Vortrag aber mit einem direkten und unmittelbaren Vorteil verknüpft ist, wirkt der Vortrag schon deutlich attraktiver. Wenn dann noch ein kompetitiver Gedanke dazu kommt, etwa dass auf dem Schrittzähler ein Kilometer mehr darauf ist als beim Kollegen, können solche Aktionen zum Wohle einer gesunden Mitarbeiterschaft schon ganz erfolgreich sein.
Wo die Gefahren lauern
Doch gerade das Wettkampfelement kann auch schief gehen. Wenn sich Kollegen plötzlich untereinander beharken, um ja bei dem kleinen Wettkampf den Erfolg davon zu tragen, dann kann aus Gesundheitsvorsorge plötzlich die Gefährdung des Betriebsfriedens werden. Daher sollte die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt stets auch ein offenes Auge dafür haben, was die kleinen Belohnungen aus der Belegschaft machen. Und dann gibt es da auch noch einen zweiten sehr heiklen Punkt. Kleine Wettbewerbe unter den Kollegen können zwar zielfördernd für die Leistung sein. Aber sie können auch Grundlage für Bewertungen der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden. Auf diese Weise kann nämlich auch das umstrittene Social Scoring Einzug in ein Unternehmen halten. Spätestens wenn aus Gamification Social Scoring wird, ist es nämlich mit dem Spaß vorbei. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entdecken sollten, dass es nicht mehr nur um ihre Gesundheitsvorsorge, sondern auch um eine Bewertung ihrer Leistungsbereitschaft und ihres Charakters geht, wird das System Gamification von den meisten Kollegen in Frage gestellt werden.
Der richtige Weg
Grundsätzlich sollte jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter freigestellt sein, sich an Gamification-Aktionen zu beteiligen. Auch wenn der Betriebsarzt eine Teilnahme nicht anordnen kann, so kann durch den Gruppenzwang ein Zaudernder doch noch sanft überredet werden. Auch so etwas sollte nicht passieren und es liegt in der Verantwortung von Betriebsärztin und Betriebsarzt, dass so etwas nicht passiert. Auch der Unternehmensleitung sollte klar gemacht werden, dass kleinere Wettbewerbe nur dazu dienen, die Motivation für Gesundheitsprävention zu stärken und keinesfalls dafür geeignet sind, betriebsinterne Ranglisten zu erstellen.
Fazit
Gamification kann ein entscheidender Baustein für mehr Gesundheit im Betrieb und größere Arbeitssicherheit sein. Vernünftig betrieben kann das der spielerische Ansatz auch erreichen. Gefährdet werden kann der Erfolg allerdings durch den übergroßen persönlichen Ehrgeiz der ein oder anderen Teilnehmer, den Betriebsärztin oder Betriebsarzt im Zaum halten müssen. Zudem darf sich Gamification nicht als Werkzeug einer betriebsinternen Social-Scoring-Struktur entpuppen.
Peter S. Kaspar
Bildquelle: iStock, BRO Vector









