Quasi beschäftigt?
15 Jahre ist es jetzt her, dass der damals 23-Jährige Sebastian Koch bei der ZDF-Show „Wetten dass“ während einer Wette schwer verunglückte und seither auf den Rollstuhl angewiesen ist. Seither kämpft er um die Anerkennung des Unglücks als Arbeitsunfall. Sowohl die zuständige Berufsgenossenschaft als auch das Sozialgericht Mannheim und das Landessozialgericht Baden-Württemberg haben abschlägig beschieden. Nun versucht Koch, über das Bundessozialgericht in Kassel zu seinem Recht zu kommen – oder das, was er dafür hält. Denn Koch, der inzwischen Theaterschauspieler mit festem Engagement ist, ist an jenem Samstagabend im Dezember 2010 buchstäblich in eine Grauzone des Arbeitsrechts gestürzt. Im Grunde geht es nur um eine Frage: War Sebastian Koch als sogenannter „Wie-Angestellter“ zu behandeln oder nicht. Lautet die Antwort ja, dann übernimmt die Berufsgenossenschaft die Kosten, wenn nein, muss die Krankenkasse übernehmen. DOKTUS über eine Falle, in die jeder stolpern könnte.
Nicht angestellt und doch versichert
Immer wieder stellt sich die Frage, ob jemand bei irgendeinem Tun versichert ist. Meist ist mit der Frage gemeint, ob eine Berufsgenossenschaft im Falle eines Unfalls einsteht. Theoretisch muss ja jeder Mensch in Deutschland versichert sein, und zwar regulär krankenversichert. Allerdings sind die Leistungen der Krankenversicherungen bei weitem nicht so umfangreich wie bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), die über die Berufsgenossenschaften repräsentiert wird. Im Falle von Sebastian Koch hat das eine ganz besondere Relevanz. Wegen seiner Querschnittslähmung ist er ganz besonders auf die Unterstützung einer Versicherung angewiesen. Hätte die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) seinen Fall akzeptiert, wäre er deutlich besser versorgt worden. Doch wann kommt man nun in den Genuss, bei einer Berufsgenossenschaft versichert zu sein? Muss man dazu fest angestellt sein? Nein, es reicht, wenn man ein „Wie-Beschäftigter“ ist. Wird das von der zuständigen BG zugestanden, dann zahlt sie auch.
Ein „Wie-Beschäftigter“ zu werden, ist nicht einfach
Es gibt fünf Kriterien, die darüber entscheiden, ob jemand ein „Wie-Beschäftigter“ ist. Der Haken dabei: Alle fünf Kriterien müssen zutreffen. Ist auch nur eines fraglich, kann die BG den Daumen senken, wie bei Sebastian Koch der Fall. Das erste Kriterium ist die Fremdnützigkeit. Das heißt, das Tun liegt nicht primär in meinem Interesse, wenn ich zum Beispiel beim Bühnenaufbau meines Vereins helfe. Der Wille des Unternehmers ist Kriterium zwei: Es muss jemanden geben, der mir eine klare Weisung gegeben hat, etwa der Vereinspräsident, der sagte: „Hilf bitte beim Aufbau der Bühne“. Der dritte Punkt ist der wirtschaftliche Wert. In diesem Fall wäre es das Vereinsfest, für das die Bühne errichtet wird. Das vierte Kriterium fordert die Arbeitnehmerähnlichkeit. Ich muss also Teil einer Arbeitsorganisation sein, also zu dem Team gehören noch drei andere und ein Vierter gibt Anweisungen, wie die Bühne aufgebaut wird. Und schließlich steht da noch die Forderung „Keine Sonderbeziehung“. Wer alten Freuden oder Familienmitgliedern Hilfe gewährt, steht in einer Sonderbeziehung und kann dann kein „Wie-Beschäftigter“ mehr sein.
Wie die Gerichte argumentieren
Es sind vor allem zwei Punkte, an denen die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Ablehnung von Kochs Antrag bei der VBG festmachen. So bestreiten sie die Fremdnützigkeit. Koch habe in eigenem Interesse gehandelt, sich sozusagen selbstvermarktet und außerdem habe er sein eigenes Team zusammengestellt und dadurch nicht in die Arbeitsstruktur des ZDF eingebunden gewesen. Koch sieht das anders und er verweist darauf, dass es im Rahmen einer ZDF-Produktion gehandelt habe, es habe eine klare organisatorische Einbindung in die Sendung gegeben. Das sieht man offensichtlich auch beim ZDF anders. Und das ist verständlich. Wäre Koch beim ZDF ein „Wie-Beschäftigter“ gewesen, dann wäre er den ganz normalen Arbeitsschutzrichtlinien unterlegen gewesen. Dann aber hätte sein Stunt zwingend eine Gefährdungsbeurteilung vorausgesetzt. Und die wäre mit höchster Wahrscheinlichkeit negativ ausgefallen.
Wie geht es für Koch weiter?
Es ist wenig wahrscheinlich, dass der 2. Senat des Bundessozialgerichts in Kassel zu einer anderen Einschätzung kommt als die beiden Vorinstanzen, zumal hier nur noch Rechtsfragen geklärt werden. Dem Schauspieler bleibt dann noch der Weg nach Karlsruhe, wo er beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde einlegen kann. Dort wird allerdings nur geprüft, ob die Verurteilung mit dem Grundgesetz konform ging. Sein letzter Weg durch die Instanzen würde ihn schließlich nach Straßburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) führen. Und da könnten die Karten am Ende tatsächlich noch einmal völlig neu gemischt werden.
Peter S. Kaspar
Bildquelle: Fotolia









