Grüne wollen hitzefrei?

Hitze

Just zu dem Zeitpunkt, als die große Hitze über Mitteleuropa hereingebrochen ist, meldet sich die Bundestagsfraktion der Grünen und fordert hitzefrei, sobald es über 26 Grad warm ist – so zumindest ist es in zahlreichen Medien zu lesen. Wer genauer hinliest, stellt zumindest eines fest: Es geht bei den 26 Grad nicht etwa um die Außentemperatur, sondern um die Raumtemperatur. Das ist nicht die einzige Ungenauigkeit. Manch ein Kolumnist echauffiert sich über den altbekannten Regulierungswahn der Grünen und pocht auf die Eigenverantwortlichkeit der Unternehmen. DOKTUS hat sich das einmal genauer angesehen und zwei bemerkenswerte Dinge festgestellt: So originell ist die Idee der Grünen gar nicht und die Kritiker der grünen Pläne scheinen ein noch sehr ausbaufähiges Wissen über das Thema Arbeitssicherheit zu haben.

Wie man mit ASR 3.5 punkten kann

Es ist ein schrecklich komplexer Ausdruck: Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR 3.5 „Raumtemperatur“. Kurz gesagt: Diese Arbeitsschutzrichtlinie regelt, wann es zu warm und wann zu kalt ist, um an einer Arbeitsstätte zu arbeiten. Wer sich diese Regel mal genauer durchliest und sie mit dem Vorschlag der Grünen vergleicht, erlebt eine Überraschung. In weiten Zügen sind die Forderungen der Grünen mit diesem Teil der Arbeitsstättenregel identisch. Sie listen als Forderungen genau die Punkte auf, die Arbeitgebern ab 26 Grad Raumtemperatur auferlegt werden: Sie müssen für Kühlung sorgen, sie sollen schattenspendende Maßnahmen ergreifen. Konkret kann das heißen: Lichtschutz vor den Fenstern und Ventilatoren in die Räume. Ab 30 Grad sind die Unternehmen gehalten, zusätzlich Pausen zu gewähren. Zudem wird angeraten, der Belegschaft kühlende Getränke zur Verfügung zu stellen. Ab 35 Grad geht dann nichts mehr. Da empfiehlt die Betriebsmedizin ausdrücklich hitzefrei. Und das ganz ohne die Grünen.

Wo besteht der Unterschied zwischen der Technischen Regel und dem Vorstoß der Grünen?

Es gibt allerdings zwei gravierende Unterschiede zwischen der bestehenden Arbeitsschutz-Richtlinie und den Vorstellungen der Grünen. Da ist zum einen die 26 Grand-Grenze, ab der Regelungen greifen sollen. Die Richtlinie hat nur wenig mehr Gewicht als eine freundliche Empfehlung, an die man sich halten mag oder nicht. Die Grünen fordern hier mehr Eindeutigkeit. Aus Empfehlungen werden dann Auflagen, die die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber erfüllen müssen. Können oder wollen sie es nicht, dann haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Anrecht auf „hitzefrei“. Das ist der zweite und zwar ganz gravierende Unterschied. Was vorher etwas weich mit „können“ und „wollen“ ausgedrückt wurde, ist jetzt durch ein „Machen“ und „Tun“ ersetzt worden. Wer sich als Unternehmer nicht um die Belange der hitzeleidenden Belegschaft kümmert, muss dafür eben die Konsequenzen tragen und kann sich nicht mehr hinter seiner unternehmerischen Freiheit verstecken.

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Fazit: Ein bisschen tiefer hängen

Im Grunde wollen die Grünen aus einer einigermaßen unverbindlichen Regel ein Gesetz machen. Davon geht die Arbeitswelt mit Sicherheit nicht unter. Tatsächlich scheint es so, dass angesichts des immer stärker werdenden Klimawandelns der Arbeitsschutz auch neu gedacht werden muss. Da ist es nur logisch, dass aus bewährten Regeln auf kurz oder lang auch handfeste Gesetze geschmiedet werden. Dass die Grünen aus einer bestehenden Sicherheitsregel etwas formen wollen, das auch einklagbar ist, hat nichts mit Weltferne zu tun, sondern eher etwas mit Realismus. Die Kritik am Vorhaben der Grünen zeigt erschreckend, wie wenig das Thema Arbeitsschutz in der breiten Bevölkerung angekommen ist. Und daraus folgt die bittere Erkenntnis, dass genau die Kritiker den Grund dafür liefern, warum so ein Gesetz offensichtlich nötig ist.

Peter S. Kaspar

Bildquelle: iStock, 29mokara

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