KPI – Zwischen Übersicht und Überwachung

Der Key Performance Indicator ist eine feine Sache, zumindest vordergründig. Dank Unmengen von Daten kann der KPI punktgenau zeigen, wo es im Betrieb klemmt, wo nachgebessert und an welchen Schräubchen noch gedreht werden muss. Eigentlich eine sinnvolle Sache, sollte man denken. KPI kann alle Bereiche eines Unternehmens optimieren, nicht nur die Produktion. Auch bei der Arbeitssicherheit und der Betriebsgesundheit spielt KPI eine zunehmend wichtigere Rolle. Allerdings genau hier stößt dieser Indikator dann doch an seine Grenzen. Um verlässliche Werte etwa für die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt zu erhalten, sind Daten nötig, die möglicherweise auch die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen beeinflussen. Spätestens hier wird es kritisch. DOKTUS zeigt Lösungswege auf, wann und wo der KPI sinnvoll und möglichst konfliktfrei eingesetzt werden kann.

Problemfeld Arbeitsschutz

Auch im Arbeitsschutz kann der KPI eine wichtige Rolle spielen. Dass jeder Arbeitsunfall registriert wird, scheint selbstverständlich, doch auch jeder Beinahe-Unfall wird in die Daten aufgenommen. Zusammengenommen mit den tatsächlichen Unfällen lassen sich so Gefahrensituationen besser identifizieren und danach möglichst eliminieren. In die Daten fließen die Anzahl der Sicherheitsbegehungen, Audits und Inspektionen ein, außerdem wird aufgezeichnet, wieviel Prozent der Mitarbeitenden an Sicherheitsschulungen teilgenommen haben. Wirklich heikel wird es aber bei der Frage nach der persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Letztlich geht es darum, wer trägt sie und wer nicht? Und hier offenbart sich das Problem: Würde man, um diesen Indikator-Punkt zu klären, alle Mitarbeitenden beispielsweise auf einer Großbaustelle einzeln befragen, ob sie jeden Morgen auch brav ihre Schutzausrüstung anlegten, würde die Antwort vermutlich mit einem 100prozentigen „Ja“ ausfallen. Würde man hingegen die Baustelle engmaschig mit Videokameras überwachen, könnte sich vielleicht ein anderes Bild darstellen. Dann wären es vielleicht nur 80 oder gar 60 Prozent, die vom Schutzhelm bis zu den Sicherheitsschuhen alles anhätten.

Problemfeld Betriebsmedizin

Noch deutlicher werden die Probleme in der klassischen Betriebsmedizin. Hier ist an personenbezogenen Daten kaum ein Vorbeikommen, wenn ein KPI sinnvoll eingesetzt werden soll. Mit Sicherheit ist es sehr sinnvoll zu erfahren, wie viele Mitarbeitende die angebotenen Vorsorgeuntersuchungen auch tatsächlich wahrnehmen. Das lässt sich nun rein aus der statistischen Sicht betrachten. Doch schon der nächste Punkt könnte Kopfzerbrechen bedeuten: Die Anzahl der psychischen Belastungsfälle. Auch die Fehlzeitquote wird via KPI ermittelt, ebenso die Rückkehrquote aus der Reha und die Langzeiterkrankungen. Das alles sind Daten die zunächst auf personenbezogenen Daten basieren, die dann zur Weiterverwendung anonymisiert werden sollen. Doch was bedeutet das? Ist eine Rückverfolgung an Ende nicht vielleicht doch möglich?

Vorsorge Bildschirm G 37

Problemfeld Vertrauen

Deutschland hat eines der weitreichendsten Datenschutzgesetze der Welt. Dadurch sind viele Menschen auch sehr sensibilisiert, was ihre eigenen Daten betrifft. Sobald es um Datenerhebungen geht, sind sie sofort misstrauisch. Hinzu kommt, dass es in Deutschland schon ein historisch gewachsenes Misstrauen gibt, wenn es um das Thema Überwachung geht. Auf der anderen Seite steht auch die Furcht vor kommenden Entwicklungen, etwa dem Social Scoring, das schon einige Unternehmen für ihre Zwecke nutzen, was zwangsläufig auf einen Verlust der Kontrolle über eigene Daten hinausläuft. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich die Zweischneidigkeit der Arbeit mit KPI. Der Indikator ist gewissermaßen sogar die Grundlage dafür, wenn ein Unternehmen mit dem umstrittenen Social Scoring arbeiten will.
Ein weiterer schwieriger Punkt ist die Hardware, die möglicherweise zur Erfassung von Daten eingesetzt wird. Dabei geht es nicht nur um Kameras, sondern zum Wearables, also Dinge wie Smartwatches, Bodycams, Helme mit integrierter Sensorik, Datenbrillen und vieles andere. Hier entstehen überall Daten, die einerseits wichtig für das Unternehmen, andererseits aber immer mit einer Person verbunden sind. Es gibt also genügend Gründe für Mitarbeitende, das Thema KPI mit einem gewissen Misstrauen zu betrachten.

Lösungsansatz Transparenz

Viele Bedenken sind nachvollziehbar, mache erscheinen übertrieben, doch ernst muss ein Unternehmer sie trotzdem nehmen. Am Ende geht es nicht nur darum, die Bedenken zu zerstreuen. Idealerweise soll eine möglichst vollständige Akzeptanz für die eingesetzten Mittel erreicht werden. Dazu muss die Unternehmensleitung klar kommunizieren, was, wie und warum implementiert werden soll. Den Bedenken soll ein mächtiger positiver Aspekt entgegengesetzt werden. Wenn die Frage auftaucht: „Was geschieht mit meinen Daten?“ sollte diese zwar als erstes lückenlos und überzeugend beantwortet werden können. Im Anschluss aber muss auch klar gemacht werden, welche Vorteile die Arbeitnehmenden ganz persönlich aus den Neuerungen im Unternehmen ziehen können. Wenn das gelingt, dann sollte eine erfolgreiche Umsetzung der verschiedensten Anwendungsbereiche die KPI benötigen, nichts mehr im Wege stehen.

Peter S. Kaspar

Bildquelle: Fotolia

gelangweilter Arzt
Älterer Arbeitnehmer
Boreout
Staubbelastung