Gefährliche Rente
Manche sprechen vom frühen Rentnertod, Zyniker vom „sozialverträglichen Frühableben“, in Erinnerung an das Unwort des Jahres 1998, für das der damalige Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, verantwortlich zeichnete. Fast jeder kennt Geschichten von Menschen, die, kaum in den Ruhestand getreten, plötzlich verstorben sind. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass der Renteneintritt für viele ehemalige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einem ernst zu nehmenden Risiko werden kann. Was dagegen weniger bekannt ist, dass es durchaus auch eine Aufgabe der Betriebsmedizin ist, Mitarbeitende, die das Ende ihrer Lebensarbeitszeit im Blick haben, auf das Ende ihres Berufslebens und die Zeit danach vorzubereiten. Das reicht von einer psychischen Unterstützung bis hin zu konkreten Untersuchungen und Handlungsempfehlungen, um die körperliche Leistungsfähigkeit und Resilienz so lange wie möglich zu erhalten. DOKTUS erklärt, wie Betriebsärztinnen und Betriebsärzte den künftigen Rentnern helfen können.
Warum sterben viele Rentner früh?
Für den frühen Rentnertod werden verschiedene Ursachen verantwortlich gemacht. Einerseits gibt es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bis an ihr berufliches Ende sich so ausgepowert haben, dass ihre physische Konstitution nicht mehr für ein langes Rentnerdasein ausreicht. Es sind dann häufig multiple Gründe, die zum Ableben führen. Oft ist es ein Herzinfarkt oder ein Schlafanfall, häufig aber auch unerkannte Krankheiten, die jahrelang mitgeschleppt wurden. Eine große Rolle spielt das wegbrechende soziale Umfeld. Wenn man Jahre oder Jahrzehnte lang mit Kollegen täglich zusammengearbeitet hat, wird der Verlust der täglichen sozialen Interaktion als besonders schmerzhaft wahrgenommen. Häufig kann das in eine Depression führen. Ein weiterer Faktor für psychischen Stress ist die Tatsache, dass man von einem Tag auf den anderen scheinbar nicht mehr gebraucht wird. Ein wichtiger Teil des Lebensinhaltes, der häufig auch besonders sinnstiftend war, ist auch einmal verschwunden. Auch das ist eine Tatsache, mit der viele neue Rentner nur schwer umgehen können. Sie fühlen sich schlicht und einfach nutzlos. Zu den körperlichen Gründen, die zu einem frühen Rentnertod führen können, gehören auch die Berufsumstände. Gefährdet sind unter anderem Beschäftigte, die großen körperlichen Anstrengungen in ihrem Beruf ausgesetzt waren. So wie Spitzensportler nach ihrer Karriere abtrainieren müssen, um einem frühen Herztod zu entgehen, müssen sich Beschäftigte mit einer hohen körperlichen Herausforderung erst langsam an den neuen Zustand herantasten und sich vorsichtig an das süße Nichtstun gewöhnen. Umgekehrt sollten auch frischgebackene Rentner, die jahrelang nur am Schreibtisch saßen und sich auch in ihre Freizeit nur wenig bewegt haben, ihren Eintritt ins Rentenalter nicht gerade mit einer Hochgebirgstour oder einer anspruchsvollen mehrwöchigen Radtour begehen.
Die Verantwortung der Betriebsärzte
Laut dem Arbeitsschutz-Gesetz und den Grundsätzen an der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), reicht die Verantwortung von Betriebsärztinnen und Betriebsärztin für die Gesundheit von Mitarbeitenden auch über den Arbeitsalltag hinaus. Diese Forderung beinhaltet auch, angehenden Rentnerinnen und Rentnern eine möglichst reibungslosen Eintritt in den Ruhestand zu ermöglichen. Dabei haben Betriebsärztinnen und Betriebsärzte auch die Gesundheit der Mitarbeitenden nach ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb im Blick. Vom betriebsärztlichen Dienst werden Programme zur altersgerechten Personalentwicklung angeboten. In manchen Unternehmen ist die Vorbereitung auf den Ruhestand auch Teil des Gesundheitsmanagements.
Auf dem Weg in den Ruhestand
Unternehmen können eine Menge Maßnahmen anbieten, um ihren Mitarbeitern einen möglichst reibungslosen Übergang in das Rentnerdasein zu gewährleisten. In den letzten Berufsjahren sollten sich die angehenden Rentner jährlich den für ihren Beruf relevanten Vorsorgeuntersuchung unterziehen, um latente Erkrankungen möglichst früh zu erkennen außerdem sind regelmäßige Gesundheits-Check-Ups empfehlenswert. In Workshops können die künftigen Rentner auf Stressbewältigung und Resilienz vorbereitet werden. Auch Einzelgespräche und Gruppenberatungen, moderiert von der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt, helfen bei einem gesunden Schritt in die Rente. Einige Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern auch einen fließenden Übergang in die Rente an. Dafür gibt es sogenannte Mini-Ruhestandsmodelle, wie flexible Auszeiten oder Teilzeitphasen, in denen man sich schon mal an den Ruhestand gewöhnen kann.
Ein Plus fürs Unternehmen
Mitarbeitern möglichst gut in den Ruhestand zu verhelfen, kann auch ein großes Plus für ein Unternehmen sein. Diejenigen, die sich jetzt in den Ruhestand verabschieden, sind Teil der Boomer-Generation, die in der Arbeitswelt eine breite Lücke hinterlassen wird. Firmen, die sich fürsorglich um ihre ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern, schaffen sich damit auch eine gewisse Reserve. In Zeiten von Personalnot werden dann immer wieder erfahrene und gut geschulte Mitarbeiter für eine kurze Zeit einspringen können. So entsteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Peter S. Kaspar
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