Feindbild Betriebsarzt

Böser Arzt

Noch immer gibt es Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, die einer Betriebsärztin oder einem Betriebsarzt gegenüber große Skepsis hegen. Dafür gibt es einige Gründe – aber keinen, der wirklich stichhaltig ist. Die verbreitetste Angst ist, dass sensible Gesundheitsdaten plötzlich auf dem Schreibtisch des Chefs landen. Der könnte, so die Befürchtung, herausbekommen, dass man unter psychischen Belastungen oder chronischen Erkrankungen leiden könnte. Eine weitere Besorgnis betrifft die beruflichen Konsequenzen, die aus einer Vorsorgeuntersuchung erwachsen könnten. Auch die Stellung des Betriebsarztes als neutrale Instanz wird bisweilen angezweifelt. Die irrige Annahme: Der Betriebsarzt stehe stets auf Seiten des Chefs. Dann ist da noch die Angst vor dem Unbekannten. Manche Beschäftigte meiden einfach nur deshalb den Betriebsarzt, weil ihnen die Abläufe unbekannt sind. Und schließlich gibt es noch die Furcht vor Stigmatisierung. Depressionen, Stressreaktionen oder Burnout könnten ja dazu führen, dass man schnell abgestempelt wird. All diese Bedenken sind in den allermeisten Fällen unbegründet. DOKTUS erklärt, warum.

Die Macht des Betriebsarztes

Ein Betriebsarzt ist weder ein Jedi-Ritter, der über eine geheimnisvolle Kraft verfügt, noch steht er auf Seiten der dunklen Macht, die da Unternehmensleitung heißt. Tatsächlich ist die Macht einer Betriebsärztin oder eines Betriebsarztes eher beschränkt. Sie oder er ist nicht in der Lage, einfach Leute zu entlassen oder ihnen willkürlich den Job zu rauben. Betriebsärzte dürfen, mit einer Ausnahme, auch keine Beschäftigungsverbote aussprechen. Die Ausnahme betrifft schwangere Frauen, die aufgrund ihrer Tätigkeit in einem Unternehmen die Gesundheit des ungeborenen Kindes aufs Spiel setzen können. Ansonsten beschränkt sich die Macht der Betriebsmediziner meist auf Empfehlungen an die Arbeitnehmenden oder an die Arbeitgeber. Bis auf wenige Ausnahmefälle kann ein Betriebsarzt noch nicht einmal eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen. Das geht nur, wenn er entweder in einer Doppelfunktion vertragsärztlich zugelassen ist, oder, wenn es im Unternehmen zu einem akuten Notfall, sei es Unfall oder medizinischer Natur, kommt. Einem Mitarbeiter, der mit einem Herzinfarkt zusammenbricht und wiederbelebt wird, kann der Betriebsarzt natürlich für die maximal zwei erlaubten Wochen eine AUB ausstellen. Doch selbst das passiert in der Praxis kaum.

Können Beschäftigte gezwungen werden, zum Betriebsarzt zu gehen?

Theoretisch kann niemand gezwungen werden, zum Betriebsarzt zu gehen. Allerdings kann es für Beschäftigte in bestimmten Berufsgruppen Konsequenzen nach sich ziehen, wenn sie den Betriebsarzt meiden. Ein Beispiel: Ein Beschäftigter bei der Berufsfeuerwehr muss bei Löscheinsätzen in der Lage sein, Atemschutzgeräte zu tragen. Dafür braucht er zwingend die Vorsorgeuntersuchung G26, eine Pflichtvorsorge. Weigert er sich, sich dieser Untersuchung zu unterziehen, war’s das für ihn mit der Brandbekämpfung. Seine Kollegin in der Leitzentrale hingegen bekommt zwar regelmäßig das Angebot einer Vorsorgeuntersuchung für Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen, das sie genau so regelmäßig ignoriert. Für sie hat das keinerlei Konsequenzen. Dass ihr Kollege die Untersuchung G26 verweigert, muss nicht zwingend zur Entlassung führen, aber ganz sicher zur Versetzung.

Vorsorge Bildschirm G 37

Vertraulichkeit und Neutralität

Auch, wenn Betriebsärztinnen und Betriebsärzte in einem Unternehmen fest angestellt sind, so unterliegen sie trotzdem noch der ärztlichen Schweigepflicht, die über jeglicher Dienstanweisung rangiert. Das heißt im Klartext, dass ein Arbeitgeber einem Betriebsarzt nicht einmal die Anweisung geben kann, vertrauliche Informationen herauszugeben. Würde er dieser Weisung Folge leisten, würde sich der Betriebsarzt strafbar machen. Selbst wenn es um Eignungsuntersuchungen geht, darf der Betriebsarzt keine Auskunft geben. Ein Kraftfahrer, der wegen einer Augenkrankheit bei der regelmäßigen Untersuchung durchfällt, muss nicht befürchten, dass der Betriebsarzt den Befund mit dem Chef teilt. Ein Betriebsarzt hat genau drei Möglichkeiten, sich über die gesundheitliche Eignung zu äußern: „geeignet“, „bedingt geeignet“, „nicht geeignet“. Über die Gründe, warum jemand nicht oder auch nur bedingt geeignet ist, darf sich der Betriebsarzt nicht auslassen.

Heikles Thema Stigma

Das Thema mentale Gesundheit steht inzwischen im Zentrum betriebsärztlichen Handelns. Fast die Hälfte aller AUBs gehen inzwischen auf psychische Leiden zurück. Betriebsärztinnen und Betriebsärzte werden immer besser geschult im Umgang mit den Betroffenen. Vom Betriebsarzt aus wird es sicher keine Stigmatisierung geben. Zudem ist es klar, dass auch und gerade in diesen Fällen die Verschwiegenheit das wichtigste Gebot für die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt ist.

Was kann der Arbeitgeber tun

Um Bedenken gegenüber Betriebsärztinnen und Betriebsärzten abzubauen, können Arbeitgeber einiges tun. Das Wichtigste ist eine transparente Kommunikation, in der erklärt wird, was und warum der Betriebsarzt untersucht, etwa bei Vorsorgeuntersuchungen. Auch die regelmäßige Präsenz der Betriebsärztin oder des Betriebsarztes ist wichtig, denn sie schafft Vertrauen. Schulungen zum Thema Rechte, Schweigepflicht und Vorsorgearten hilft dabei, Ängste abzubauen. Schließlich muss auch klar und nachvollziehbar sein, dass Personalabteilung und betriebsmedizinischer Dienst strikt voneinander getrennt sind. Mit diesen wenigen Maßnahmen sollte es gelingen, die meisten Bedenken abzubauen.

Peter S. Kaspar

Bildquelle: iStock, kobzev3179

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