Betriebsärzte und die E-Akte
Seit Anfang Oktober ist sie nun Pflicht, die elektronische Patientenakte (ePA). Im Grunde ist sie ausgesprochen praktisch, denn hier landen alle Befunde, Medikationen, Behandlungen und Verordnungen eines Patienten. Damit hat jeder weiterbehandelnde Arzt Zugriff auf die Krankengeschichte, und umgekehrt kann der Hausarzt alle Ergebnisse von Facharztbesuchen relativ einfach abrufen. Voraussetzung ist allerdings die Zustimmung des Versicherten, der allein über die ePA bestimmt und wer darauf Zugriff hat. Doch was bedeutet die ePA für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte? Erleichtert ihnen die ePA die Arbeit oder wird alles komplizierter? Wie so oft im Leben lässt sich diese Frage mit einem ganz entschiedenen Sowohl-als-auch beantworten. Wo die Vorteile und wo die Nachteile liegen, versucht DOKTUS zu ergründen.
Betriebsärzte schweigen – noch
Während sich nach dem Ablauf des ersten Monats nach Einführung der ePA Ärztinnen und Ärzte, Vertreter von Ärzteverbänden und die Krankenkassen schon zu Wort gemeldet haben, um ihre ersten Eindrücke nach Einführung des Systems zu schildern, gibt es bislang keine Stellungnahme von Fachverbänden wie dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW). Das ist insofern überraschend, als die elektronische Patientenakte ganz spezifische Herausforderungen an Betriebsärztinnen und Betriebsärzte stellt. So sind auch noch nicht alle rechtlichen Fragen geklärt, die sich daraus ergeben, dass auch betriebsmedizinisch erlangte Kenntnisse in die ePA mit einfließen.
Eine Frage des Vertrauens
Was die rechtliche Situation von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten so ungewöhnlich macht, ist eine Art der Dokumentation. Sie führen nämlich eine Art „doppelter Buchführung“. Wer sich wegen einer Vorsorgeuntersuchung in die Hände der Betriebsärztin oder des Betriebsarztes begibt, kann dem zustimmen, dass das Ergebnis in die ePA aufgenommen wird. Allerdings führen die Arbeitsmediziner auch noch eine zweite Akte, die betriebsärztliche Akte. Die ist vertraulich, und da hat der Beschäftigte keinerlei Einfluss darauf. Diese Akte dient allerdings auch nicht therapeutischen Zwecken, sondern der arbeitsmedizinischen Dokumentation. In diese Akte hat nur die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt Einblick, auch und schon gar nicht die Unternehmensleitung. Trotzdem hinterlässt das bei manchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein ungutes Gefühl.
ePA bringt Chancen für die Betriebsmedizin
Trotzdem bringt die ePA einige ganz entscheidende Vorteile für die Betriebsmedizin mit sich. Am deutlichsten offenbart sich das vielleicht bei den Vorsorgeuntersuchungen, deren Ergebnisse ja auch für den Hausarzt von einer gewissen Relevanz sein können. Eine bessere Verzahnung von Hausarzt und Betriebsarzt kommt am Ende auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugute. Doch auch für die Betriebsmediziner bringt ein Einblick in die ePA einige Vorteile mit sich. Da sind zum Beispiel die Impfungen, die in Betrieben angeboten werden, etwa gegen Grippe oder Corona. So gewährt die ePA einen Einblick in den Impfstatus. Mit diesem Wissen lassen sich die Impfkampagnen in Betrieben einfacher organisieren. Vorsorgeuntersuchungen können über die Jahre hinweg besser miteinander verglichen und dokumentiert werden, was sowohl dem Einzelnen, aber auch der betrieblichen Gesundheit im Ganzen von Nutzen sein kann. Und schließlich können mit Hilfe der ePA Präventionsprogramme in Betrieben deutlich effizienter gestaltet werden.
Fazit
Offenbar ist sich die Betriebsmedizin selbst noch nicht ganz sicher, was sie von den Neuerungen halten soll. Das mag zwei Gründe haben: Die technischen Anforderungen an Betriebsärzte sind aus Datenschutzgründen noch deutlich höher als bei anderen Ärzten. Und hier sind noch immer nicht alle Fragen final geklärt. Das gilt auch noch für rechtliche Fragen, wo noch nicht abschließend geklärt ist, ob bestimmte arbeitsmedizinische Dokumente automatisch ausgeschlossen oder eingeschlossen werden sollen. Zum anderen ist die Betriebsmedizin eher langfristig angelegt, etwa auf Prävention oder wenn es um Vorsorgeuntersuchungen geht. Schon aus diesem Grund ist es – im Gegensatz zu anderen Ärztinnen und Ärzten – derzeit noch gar nicht sinnvoll möglich, eine vorläufige Einschätzung darüber abzugeben, ob die ePA im betriebsmedizinischen Sinne nun ein Erfolg ist oder ein Flop.
Peter S. Kaspar
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