Allzeit bereit
Es ist das Motto der Pfadfinder, allzeit bereit zu sein, für eine gute Tat. Doch es gibt sie auch in der Arbeitswelt, die Kolleginnen und Kollegen, die stets Gewehr bei Fuß stehen, immer nur an die Firma denken und dort am liebsten ihr Feldbett aufschlagen würden. Sie wissen einfach alles, nur nicht, wie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aussieht, denn Krankheit im Sinne von: „Nicht am Arbeitsplatz erscheinen“ kommt in ihrer Vorstellungswelt einfach nicht vor. Diese wundersamen Exemplare der Gattung Mensch nennt man „Präsentisten“ und sollten eigentlich den Traum einer jeden Arbeitgeberin und eines jeden Arbeitgebers darstellen. Doch ist das wirklich alles so ideal? Beim zweiten Blick offenbaren sich dann doch einige dunkle Flecken auf der makellos weißen Weste dieser Streber.
Präsentisten gegen Absentisten
Das Wort Präsentist ist relativ neu. Es wurde im Arbeitszusammenhang erst vor 70 Jahren zum ersten Mal verwendet. Mit dieser Wortschöpfung wollte der US-amerikanische Arbeitswissenschaftler Auren Uris einen antagonistischen Begriff zum Absentisten schaffen. Den hatte rund 90 Jahre zuvor der deutsche Volkswirt Hermann Rösler geprägt. Der Absentismus beschrieb zunächst, wie sich Menschen vor ihrer Arbeit drücken. Daraus entsteht Unternehmen ein wirtschaftlicher Schaden. Daraus folgerte Uris, dass diejenigen, die sich zur Arbeit drängen, einem Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil einbringen. So schrieb er einen Aufsatz mit dem Titel „Wie man Präsentismus aufbaut“. Es gibt wohl kaum Wissenschaftler:innen, die heute noch ein Papier mit solch einem Titel veröffentlichen würden.
Wie sich die Zeiten ändern
So, wie man heute den Absentismus nicht mehr auf Faulpelze und Drückeberger reduziert, ist auch die Heldengeschichte der aufopferungsvollen Präsentisten inzwischen zu Ende erzählt. Bezeichnenderweise kannten bis vor wenigen Jahren sogar nur wenige Fachleute den Begriff. Doch dann kam Corona. Spätestens jetzt wurde klar, dass Präsentisten ein Problem darstellten, ja sogar zu einem Risiko für die Produktion werden konnten. Ein Beispiel: Wenn es in einer Abteilung mit zehn Mitarbeitenden zwei Absentisten gibt, die montags gerne mal blau machen, dann ist das ärgerlich. Wenn es aber nur einen Präsentisten gibt, der fünf Kollegen ansteckt, dann wird das Ärgernis zu einem echten Risiko. Während der Coronakrise wurde das dadurch verschärft, dass sich ja auch Kontaktpersonen in Quarantäne begeben mussten. So konnte es schnell passieren, dass der falsche Arbeitsethos einer Person eine ganze Abteilung komplett lahmlegen konnte.
Weitere Gefahren des Präsentismus
Je mehr man sich mit dem Phänomen Präsentismus beschäftigte, desto mehr Nachteile traten zu Tage. Wenn sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter krank zur Arbeit schleppt, sind sie oder er auch bei weitem nicht so leistungsfähig. Die Konzentration lässt nach, es kommt zu Fehlern, die wieder nachbearbeitet werden müssen. Das heißt, die Produktivität lässt dann oft auch stark nach. Im Endeffekt kann sogar ein kranker Präsentist, der zur Arbeit erscheint, der Produktivität mehr schaden als ein Absentist, der am gleichen Tag blau macht. Ein ganz heikler Punkt ist die Arbeitssicherheit. Wer nicht zur Arbeit erscheint, gefährdet die Arbeitssicherheit nicht, wer aber in einem sensiblen Bereich zum Beispiel Maschinen oder Fahrzeuge führt, kann schnell zu einem Sicherheitsrisiko werden, etwa wenn er unter Medikamenteneinfluss steht. Dann können Konzentration und Reaktionsfähigkeit deutlich nachlassen.
Und was ist mit dem Betriebsfrieden?
Schließlich gibt es noch einen heiklen, schwer messbaren Faktor. Wer sich regelmäßig erkrankt zur Arbeit schleppt, der kann auch den Betriebsfrieden gefährden. Ein falsch verstandener Arbeitsethos kann auch dazu führen, dass die Arbeit der Kolleg:innen abgewertet wird. Das führt dann unweigerlich zu Konflikten innerhalb der Belegschaft. Es liegt also im ureigensten Interesse der Unternehmensleitung, besonders übereifrige Mitarbeitende zu bremsen und ihnen klarzumachen, dass weniger manchmal mehr sein kann.
Psychische Gefährdungen ausschließen
Doch wie macht man Mitarbeitenden klar, dass blinder Eifer nur schadet? Seit 2014 ist für Betriebe eine Psychische Gefährdungsbeurteilung bindend. Mit den geeigneten Mitteln lassen sich sowohl Tendenzen des Absentismus als auch des Präsentismus ausmachen. Vor allem lässt sich feststellen, wann Tendenzen in die eine oder in die andere Richtung einem Unternehmen schaden. Nach wie vor herrscht in vielen Betrieben noch der Gedanke vor, dass Präsentisten der Firma nützen, Absentisten ihr schaden. Doch das muss nicht zwangsläufig so sein. Es gibt Konstellationen, in denen es genau umgekehrt ist. Mittels einer Psychischen Gefährdungsbeurteilung lassen sich solche Konstellationen leichter erkennen. Doch müssen die Mittel dafür auch adäquat angewandt werden. Dabei kann Sie das Programm Mind-Care von DOKTUS – die Betriebsärzte unterstützen, damit aus gesunden Mitarbeitern eine gesunde Firma wird. Wenn Sie an diesem Programm interessiert sind, dann klicken Sie hier auf den Link oder rufen Sie einfach bei uns an.
Peter S. Kaspar
Bildquelle: iStock, Piscine